Es ist bekannt: Frauen fehlen in MINT-Fächern und -berufen, dabei sind Mädchen und Jungen in der Schule gleich stark in Mathematik. Für das Problem gibt es mannigfaltige Gründe, auch das ist bekannt. Ein Grund, warum diese weiblichen Mathematik-Stärke nicht stärker genutzt wird, ist, dass es an Ideen fehlt, was man mit dem Interesse für MINT-Fächer im Speziellen für Mathe machen kann. Es fehlen – wie so oft – die weiblichen Role Models. Deshalb haben wir Sarah Frisch getroffen. Sie ist Doktorin der Mathematik und arbeitet bei Anexia als Softwareentwicklerin. Hier wollen wir mit ihr gemeinsam aufzeigen, wie die Karriere als Mathematikerin gelingt.
Auch Sarah hat nicht den direkten Weg gewählt: „In der Schule ist Mathe eigentlich spurlos an mir vorübergezogen. Ich habe erst eine Lehre als Köchin angefangen und eine Familie gegründet. Erst im Rahmen meiner Berufsreifeprüfung wurde mein Interesse für die Mathematik wirklich geweckt. Ich hatte schlicht Spaß am Lösen von mathematischen Aufgaben und habe mich so für das Studium der technischen Mathematik entschieden. Während des Bachelors hatte ich jedoch keine Ahnung, ob und wie ich das Gelernte beruflich einsetzen könnte. Es gab bei den vielen theoretische Grundlagen kaum praxisnahe Beispiele.
Erst als ich mich auf diskrete Mathematik spezialisiert habe und auf Prof. Philipp Hungerländer gestoßen bin, hat sich das geändert. Er befasst sich damit, Optimierungsprobleme aus unserem täglichen Leben in mathematische Modelle zu gießen und zu lösen. Im Rahmen einer Vorlesung zeigte er uns Beispiele aus dem realen Leben. Das war mein persönlicher Schritt in die Praxis!“
Sarahs Schwerpunkt ist die diskrete Mathematik. Die diskrete Mathematik beschäftigt sich mit Kodierungstheorie, Graphentheorie und Informationstheorie. Mit der rasanten Entwicklung unserer Computer und deren Rechenleistung sind die Werkzeuge aus der diskreten Mathematik heute hoch effizient einsetzbar und haben daher massiv an Bedeutung gewonnen.
Was bedeutet das in der Praxis?
„Wir sammeln alle erforderlichen Informationen, um den Bedarf des Kunden zu spezifizieren und in eine abstrakte Sprache zu übersetzen. Damit kann das Optimierungsproblem aus dem realen Leben mit einem mathematischen Modell formuliert werden. Es geht um Aspekte wie
- Was soll maximiert/minimiert werden? Kosten, Gewinn, Resourcen, etc.
- Welche Bedingungen sind dabei einzuhalten? Gesetzliche Rahmenbedingungen, technische Einschränkungen, soziale Komponenten, etc.
- Welche Informationen bilden die Basis (Daten!) und was soll als Ergebnis rauskommen?
Basierend auf diesen Anforderungen werden passende Lösungsalgorithmen konzipiert, die dann im Zuge der Softwareentwicklung implementiert werden.“
Seit ihrem Doktorat arbeitet Sarah mit der ÖBB zusammen an diversen Projekten aus der Disposition, seit 2021 für die Anexia. Die Disponent:innen organisieren alles, was für den Transport von Gütern nötig ist. Sie koordinieren die Güterverteilung sowie die Fahrzeugauslastung. Mit ihren Modellen kann Sarah und ihr Team die Arbeit der Disponent:innen unterstützen, indem die Zusammenhänge und Abhängigkeiten der Züge darstellt werden und die besten Lösung nach verschiedenen Parametern ausgegeben werden können.
Die Praxis in die Sprache der Mathematik übersetzen
Sarahs Aufgabe ist dabei die Erstellung der Gleichung.
„Am Beginn jeden Projekts – so auch hier – steht stets die Business Analyse. Ohne noch irgendwo eine Formel hinzuschreiben, führe ich Gespräche mit den Kolleg:innen von der ÖBB. Unabdingbar ist es, als Mathematikerin ein Grundverständnis für die jeweilige Branche und ihre Abläufe aufzubauen. Gespräche mit erfahrenen Disponent:innen, wie sie ihre Entscheidungen treffen, haben sich dabei als besonders wertvoll erwiesen, um gute Modelle entwickeln zu können.
Alle diese Informationen haben wir gesammelt und dann in die Sprache der Mathematik übersetzt. Mit dem Ergebnis, der Gleichung, können nun die Disponent:innen arbeiten. Sie geben Inputs ein und bekommen auf Knopfdruck verschiedene Lösungen, optimiert nach den entsprechenden Aspekten wie oben beschrieben, z.b: Kosten, Gewinn oder Ressourceneinsatz.“
Und genau darum geht’s: Oft kann man sich im Studium oder der Schule nicht so vorstellen, wie man die theoretischen Modelle so verwenden kann, dass sie in der Praxis nutzen haben. Dazu soll Sarahs Geschichte dienen – aufzuzeigen, wie Mathe in die Praxis kommt. Und dabei ist nicht zu vergessen: Gerade Tech-Firmen oder Software-Unternehmen suchen nicht immer den klassischen Entwickler alleine – auch weiteres Knowhow wie eben von Mathematiker:innen ist sehr gefragt. Schau auch gerne bei unseren offenen Stellen vorbei: